Mehr als hundert Herrschingerinnen und Herrschinger zogen am Freitag, 14.10.2022, zusammen mit der Gemeinde- und Kreisarchivarin Dr. Friedrike Hellerer durch die Straßen der Gemeinde und entlang der Seepromenade, um mehr über Herrschings Geschichte in der Zeit des nationalsozialistischen Terrorregimes vor rund 80-90 Jahren zu erfahren. Der Start der von der Herrschinger SPD initiierten Veranstaltung war um 16 Uhr vor der Herrschinger Hochschule für den öffentlichen Dienst (im Volksmund Finanzschule) an der Rauscher Straße.
Der monumentale Bau der Finanzschule wurde 1935 vom damaligen Staatssekretär im Reichs-Finanzministerium Fritz Reinhard, einem Herrschinger, als erste „Reichssteuerschule“ gegründet und galt damals als Blaupause für eine Reihe ähnlicher Schulen, die danach im ganzen Reich errichtet wurden. Sie sollte als Ausbildungszentrum für die NS-Ideologie und Judenhass dienen. Von Beginn an war Juden der Zutritt verwehrt. Der überdimensionale Adler, der oberhalb der Freitreppe am Haupteingang angebracht ist, hielt damals ein Hakenkreuz in seinen Krallen.
Der Bau der Schule zog damals zahlreiche auswärtige Arbeiter in die damals erst rd. 2000 Einwohner zählende Gemeinde, später auch hunderte Studenten und Lehrkräfte. Herrsching war damals noch keine eigenständige Gemeinde, sondern ein Ortsteil von Andechs-Erling. Viele Bewohner waren mächtig stolz, dass Herrsching Sitz einer so wichtigen Reichsinstitution war, die deshalb oft auch in der Berliner Presse genannt wurde.
Im weiteren Verlauf der Tour durch Herrsching nannte Dr. Friedrike Hellerer einige weitere prominente Herrschinger NS-Größen, z. B. den damaligen Reichsminister und Generalgouverneur Polens Hans Frank, der „Polenschlächter“ genannt wurde, ferner den Arzt und sog. „Rassenforscher“, Begründer der Eugenik (damals „Rassenhygiene“ genannt) Alfred Ploetz, den Architekten, „Reichsbaumeister“ und Miterbauer der Bauten auf dem Obersalzberg Roderich Fick, die Amerikanerin Madeleine Ruoff, eine Tochter der US-Milliardärsfamilie Du Pont, die der nationalsozialistischen Ideologie sehr zugewandt war, Herrsching aber zahlreiche Geschenke machte (Kindergarten an der Seestraße, Seewinkel…). Erwähnt wurde auch der Herrschinger Claus von Pape, der während des Hitlerputsches 1923 bei der Auseinandersetzung mit der Landespolizei in München starb und deswegen bei den Nazis als Märtyrer galt – ihm wurde deshalb die heutige Schönbichlstraße gewidmet. Wie aus dem oben abgebildeten Ortsplan ersichtlich ist, wurde in der NS-Zeit eine ganze Reihe Herrschinger Straßen umbenannt, so z. B. Zum Landungssteg in Adolf-Hitler-Straße, die Bahnhofstraße zu Hindenburgstraße, die Seestraße zu Fritz-Reinhard-Straße u.a.m..
Am Ende der Veranstaltung spendeten die Teilnehmer*innen Frau Dr. Friedrike Hellerer einen lang anhaltenden Beifall. Sie kündigte dann auch eine andere Veranstaltung für den 11. und 13. November im Rathaus an, in der sie über Euthanasie im Landkreis Starnberg während der NS-Zeit berichten will. Genaue Daten werden noch veröffentlicht. Die Herrschinger SPD freut sich sehr über die große Resonanz der Veranstaltung und dankt Frau Dr. Hellerer für die hervorragende Führung.
Danke für die interessante Führung!